"Der Markt verlangt es so!"
Da ist schon was dran. Nur liefert dieser Satz keine Erklärung.
Im Laden sehen die Geräte ja tatsächlich gut aus. Auf jeden Fall haben sie einen höheren Kontrast und leuchtendere Farben, wenn man sie tatsächlich einmal im Geschäft unmittelbar neben einem der wenigen matten Displays stehen sieht. (Ist bei Monitoren und TV-Geräten auch nicht anders!) Zumindest sieht es so auf dem ersten Blick aus, denn dass da möglicherweise einfach die Helligkeit oder der Kontrast in beiden Geräten unterschiedlich eingestellt wurden, stellt man allenfalls nach einem beherzten Griff zur Tastatur (oder Fernbedienung) fest. Und natürlich nur in jenen Bildbereichen, wo sich gerade keine Lichtquelle spiegelt. Die Spiegelung nehmen die meisten Leute entweder nicht wahr oder nehmen sie einfach hin: "Daheim wird's schon nicht so schlimm sein..." Und wenn dann so tolle, durchgängig positiv besetzte Bezeichnungen hinzukommen, kann es sich doch nur um ein ganz tolles Feature handeln, dass man eben haben muss.
Natürlich hat es etwas mit den (Un-)Kenntnissen der Käufer zu tun, dass sie auf diese Lobpreisungen hereinfallen. Doch deren (Un-)Kenntnis alleine diesen Käufern anlasten zu wollen, greift m.E. zu kurz. Erstens ist nicht jeder Käufer bereit, sich im Vorfeld tage- wenn nicht gar wochenlang zu informieren. Er verlässt sich da eben auf den Fachverkäufer (oder den er dafür hält). Das sollte er ja eigentlich auch können, schließlich nennt er sich Fachverkäufer. Leider sieht die Realität anders aus. Zweitens sind die verfügbaren Quellen nicht unbedingt zuverlässig. Wer z.B. noch gar keinen Internet-Zugang besitzt, weil er eben noch gar keinen internetfähigen PC sein eigen nennt (soll es tatsächlich noch geben!), wird z.B. auch nicht auf diesen "Aufruf zum Kreuzzug" stoßen.
Wer sich da auf die tollen "Tests" und "Empfehlungen" der Fernsehzeitschriften verlässt, ist schon verlassen. Geräte aus den Tests der "Stiftung Warentests" sind i.d.R. schon gar nicht mehr erhältlich, wenn der Test endlich nach 6 bis 12 Monaten nach Einkauf der Geräte veröffentlich wird. Außerdem sind die Testkriterien (Scharfe Kante am Erwachsenenspielzeug -> Verletzungsgefahr für Kinder -> schlechte Qualität) teils weltfremd. Aber auch dem Leser von "Fachzeitschriften" geht es nicht unbedingt besser. Und an dieser Stelle muss ich einmal ganz große Kritik an den Autoren und Redakteuren z.B. der c't als der mir am besten bekannten Computerzeitschrift üben, die zweifellos auf andere Zeitschriften und Internetportale übertragbar ist. Inwieweit auch "Notebookcheck" hiervon betroffen ist, möchte ich nicht abschließend beurteilen, da ich dieses Portal erst seit wenigen Monaten kenne. Deren Autoren und Redakteure seien ermutigt, einmal selbstkritisch darüber nachzudenken!
Es geht darum, dass in diesen "Fachmedien" zu einem großen Teil sehr schlecht bis hin zu unseriös berichtet und in Tests bewertet wird. Da wird vielleicht ein spiegelndes Display im Text noch kritisch erwähnt, eine Abwertung sucht man jedoch vergebens.
Und dies betrifft nicht nur das spiegelnde Display, sondern auch das (in meinen Augen) scheußliche und unpraktische Klavierlackdesign, der Mega-Pixel-Wahn bei Digitalkameras, der Super-Zoom-Wahn bei Camcorder oder der Multi-Speed-Wahn bei optischen Laufwerken, nur um wenige weitere Beispiele zu nennen.
So weiß jeder Informierte, dass 6 Mega-Pixel das Optimum darstellen, nicht nur wegen der Sensorfläche und Bildrauschen, sondern auch, weil man weder mehr Pixel wirklich braucht (es sei denn, man glaubt, dass Poster an der Wand mit einer Lupe anschauen zu müssen) und weil die Optik gar keine höhere Auflösung erreicht. Aufgrund der physikalisch unvermeidlichen Beugungseffekte gibt es z.B. bei Kompaktkameras gar keine Blendenstufe von 16 mehr, weil die Beugung das Bild unscharf werden lassen würde. Bei den heutigen 12-Mega-Pixel-Kameras verschlechtert bereits eine Blende von 8 das Bild! Nur leider kann man heutzutage schon gar keine 6-Mega-Pixel-Kamera mehr kaufen.
Tester von Camcordern schwärmen für hohe Zoom-Faktoren ohne die tatsächliche Brennweite zu thematisieren. Wenn sie kritisch sind, stellen sie den Nutzen einer langen Tele-Brennweite in Frage, sofern man ohne Stativ filmt. Dass jedoch viele Kameras erst bei einer Brennweite beginnen, die man als leichte Tele-Brennweite bezeichnen müsste, wird dagegen ganz selten einmal erwähnt. Einen Camcorder mit einem echten Weitwinkel-tauglichen Objektiv sucht man vergebens, obwohl ein 28mm-KB-äquivalent bei dem 16:9-Format dringend nötig wäre (was jeder bestätigen wird, der schon einmal versucht hat, einen Berg oder ein Gebäude in der Totale aufzunehmen). Und mit den teilweise erhältlichen Weitwinkel-Vorsatzlinsen funktioniert die Bildstabilisierung nicht mehr, da deren Algorithmen nichts von der anderen Brennweite wissen. Eigentlich wäre es ein Einfaches, in die ohnehin überquellenden Menüs auch noch einen weiteren Eintrag aufzunehmen, in dem man einen Brennweiten-Korrekturfaktor (z.B. x0.5 und x0.7 für Weitwinkel- oder x1.4 und x2.0 für Tele-Vorsatzlinsen) eingeben könnte, damit die Bildstabilisierung wieder funktioniert. Nur ist mir nicht bekannt, dass irgendein Fachautor schon einmal so etwas thematisiert hätte...
Der Multi-Speed-Wahn bei optischen Laufwerken führt zu dem "klugen" Ratschlag, nicht mit 16-facher sondern nur mit 4-facher Geschwindigkeit zu brennen, wenn einem die CD oder DVD wirklich wichtig ist. Mir sind die gebrannten CDs und DVDs eigentlich immer wirklich wichtig. Nur warum brauche ich dann überhaupt noch ein Gerät, das 16fach brennen kann? Grotesk wird die Situation jetzt dadurch, dass es überhaupt keine Medien mehr für 4fache Geschwindigkeit zu kaufen gibt. Eine Angabe 1-16fach soll, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Medium für die 16fache Brenngeschwindigkeit optimiert wurde und bei einer geringeren Geschwindigkeit die Qualität eben nicht besser sondern schlechter wird! Das kann soweit gehen, dass eine wiederbeschreibbare DVD statt nach einigen hundert bis tausend Schreibzyklen schon nach einem einzigen Schreiben defekt ist, da aufgrund der zu großen Lichtmenge (gleiche Laserintensität, aber längere Zeit durch langsameres Brennen) das Material zerstört wurde.
Im Heft 20 / 2007 der c't beklagte der Autor, dass der erste HD-DVD-Brenner nur mit einfacher Brenngeschwindigkeit arbeiten kann (entsprechend 3.3x bei DVD), während die Blue-Ray-Brenner sogar schon 4fach schaffen. Dass die gebrannten HD-DVD gar nicht fehlerfrei lesbar waren, spielte kaum eine Rolle. Wenn also schon für den Mülleimer produzieren, dann doch wenigstens möglichst schnell!
Jeder Informierte weiß, dass eine selbstgebrannte DVD für Videoaufnahmen geeignet sind, nicht jedoch für Daten. Während es bei Videoaufnahmen meistens unkritisch ist, wenn ein paar Bits kaputt sind und auch nicht durch die Fehlerkorrektur berechnet werden können, ist ein einziges unkorrigierbares falsches Bit bei Daten-DVDs eine Katastrophe, vor allem wenn man den "klugen" Rat bestimmter Autoren folgt, ein Festplatten-Image als Datei zu brennen. Dann ist nämlich das gesamte Image unbrauchbar. Und selbst wenn die selbstgebrannte DVD unmittelbar danach noch korrekt lesbar ist, ist es mit deren Haltbarkeit schlecht bestellt. Die Angaben lauten vage "von 1 bis 10 Jahren" -- weiter lehnt sich keiner aus dem Fenster. Statt es also bei einer 4fachen Geschwindigkeit (15 min pro DVD -- soviel Zeit sollte doch jeder haben!?) zu belassen und lieber die Geräte und die Medien auf eine möglichst hohe und dauerhafte Qualität zu optimieren, steigert man sich in einen Geschwindigkeits- und Größenwahn. Wer braucht eigentlich HD-DVD oder Blue-Ray? Niemand! Für hochaufgelöste Videoaufnahmen reicht nämlich eine Double-Layer-DVD aus, um einen normalen Spielfilm darauf zu brennen, wie die Bemühungen um den Standard 3X DVD zeigen. Wer braucht zuverlässige Langzeitarchivierung, z.B. seiner Fotos? Fast jeder!
Ein neuer Wahn erscheint am Horizont, den ich eigentlich für tot gehalten hatte. Nachdem ich 1990 einmal vor einem absolut flimmerfreien Monitor mit nur 45 Hz Bildschirmwiederholrate (noch dazu interlaced!) gesessen habe, habe ich die Notwendigkeit für 60, 70, 75, 80, 85, 100 oder gar 120 Hz Wiederholrate nie einsehen können. Leuchtstoffe mit geringfügig (!) längerem Nachleuchten hätten völlig ausgereicht. Mit dem TFT-Displays hielt ich diesen Wahn für tot. Doch inzwischen tauchen die ersten Fernsehgeräte mit 200-Hz-Technik auf! Leute, wacht auf! Kinofilme werden mit 24 Bildern/Sekunde gedreht. Und ich habe noch niemanden sich beschweren gehört, dass die Bildqualität der Hollywood-Streifen zu schlecht wäre, weil die Bilder ruckeln.
In jedem der genannten Fälle geht also die Entwicklung und der Markt in die falsche Richtung. Und daran gebe ich den Medien (Massen- und Fachmedien in gleicher Weise) die Schuld! Der einzelne Käufer hat keine Möglichkeit, gegenüber den Herstellern seine Wünsche zu kommunizieren. Diese Rolle übernehmen nun einmal die Medien. Auch mit seinem Kaufverhalten kann der Käufer nur bedingt seine Wünschen kundtun, wenn er gar keine Alternativen hat. Und für viele Käufer ist es nun einmal keine Alternative, sich ein doppelt so teures Business-Notebook zu kaufen, nur weil es nicht glänzt.
Um den Käufern nicht mit Details zu überfrachten, entscheidet man sich in der Werbung für einfache Zahlen, die man als Leistungsmerkmal verkauft: Pixelzahl, Zoomfaktor, Brenngeschwindigkeit, Bildwiederholrate. Ob diese Zahlen wirklich taugen, die Qualität zu beschreiben, sei dahingestellt. An den genannten Beispielen sieht man, dass sie tatsächlich völlig ungeeignet sind. Zumindest heute, denn vor 10 Jahren war es schon ein Unterschied, ob eine Kamera 1, 1.5 oder 2 Megapixel, ob sie ein 3fach oder 10fach Zoom-Objektiv hatte. Aber heute ist man weit jenseits von Gut und Böse. Dennoch werden diese Zahlen unreflektiert weiter genutzt. Da gefällt mir die Art der Leistungsangabe bei Rolls Royce schon besser: Statt mit PS-Zahlen zu protzen, heißt es lapidar "genügend"!
Werbung will verkaufen. Daher darf man ihr diese Fehlentwicklung nicht vorwerfen. Wohl aber muss man den Medien vorwerfen, wenn sie bei diesem Unsinn mitmachen, anstatt die Leute objektiv zu informieren. Sicherlich gibt es im Internet Artikel (z.B. "Werbung und Wahnsinn: Wieviel Pixel braucht der Mensch?" http://www.heise.de/foto/artikel/108906), die diese Aufklärung leisten. Auf jeden solcher Artikel gibt es aber mindestens 100 andere, die auf den Marketing-Zug aufspringen und dann aufgrund ihrer schieren Übermacht das Verhalten der großen Käufermasse bestimmen.
Nicht zuletzt sollte man auch nicht vergessen, dass die Hersteller wichtige Werbekunden für die Medien darstellen. Wer will seinen mittelbaren Brötchengeber schon verprellen? Das ist verständlich, entbindet aber die Medien nicht von ihrer Verantwortung.
Leider bin ich nicht zuletzt aufgrund dieses Interessenskonflikts in dieser Hinsicht pessimistisch. An das Märchen, dass die Marktwirtschaft ganz automatisch immer bessere Produkte auf den Markt bringt, glaube ich jedenfalls schon seit vielen Jahren nicht mehr. Traurig finde ich es, wenn durch die überall zu beobachbaren Fehlentwicklungen Kaufalternativen verschwinden.