Einleitung
Am 12.10.2024 (Brief erhalten am 16.) antwortet mir der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin, die Mitglieder des Petitionsausschusses hätten meine Eingabe vom 15.8.2024 beraten, die BVG kontaktiert und von diesen folgende Antwort erhalten.
Die BVG antworten dem Petitionsausschuss:
- Bargeldloses Bezahlen sei im Interesse iher Mitarbeitenden und Fahrgäste, unkompliziert und modern.
- Es blieben eine Vielzahl von Bezahlmöglichkeiten erhalten.
- Die zuständige Behörde habe es genehmigt.
- Über 99% der Fahrgäste besäßen heutzutage bereits vor dem Einstieg ein gültiges Ticket.
- Der Bargeldumsatz stehe in keinem Verhältnis mehr zum dafür zu betreibenden Aufwand, sondern sei ein wichtiger Beitrag für den herausfordernden Berufsalltag der Busfahrer.
- Eine Benachteiligung von Fahrgästen könne ausgeschlossen werden.
- An über 2000 Verkaufsstellen könnten gegen Bargeld Fahrscheine und an mehreren hundert Verkaufsstellen auch die BVG-Guthabenkarte erworben werden. Sie hätten eine flächendeckende Verteilung übers ganze Stadtgebiet mit garantierter Erreichbarkeit.
- Für Schwerbehinderte sei die BVG-Guthabenkarte geeignet und könne unkompliziert immer wieder aufgeladen und eingesetzt werden.
- Siehe: www.bvg.de/de/service-und-kontakt/verkaufsstellen
- Im Bus sei das bargeldlose Zahlen mit allen gängigen Karten bzw. Mobiltelefonzahlungsarten sowie der BVG-Guthabenkarte beim Fahrpersonal möglich.
- Die beliebte und preiswerte Alternative des Vorverkaufs der 4-Fahrten-Karte bleibe erhalten und könne u.A. mit Bargeld erworben werden.
- Eine Benachteiligung von Touristen und anderen Auswärtigen könne ebenfalls ausgeschlossen werden, da diese überwiegend bargeldlos zahlten oder häufig Tickets an Verkaufsstellen oder in Hotels bezögen.
- Ein Verstoß gegen Grundrechte werde entschieden zurückgewiesen.
Der Petitionsausschuss sagt:
- Es sei nachvollziebar, dass die Abschaffung von Bargeldzahlung im Bus zunächst Unsicherheit und Unbehagen auslösen könne.
- Die Ausführungen der BVG verdeutlichten, dass in der letzten Zeit nur noch ein sehr geringer Anteil von Fahrgästen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht habe.
- Es werde durch die Abschaffung ein erheblicher logistischer und zeitlicher Aufwand vermieden.
- Die Nutzung anderer verfügbarer Möglichkeiten des Ticketerwerbs (beispielsweise mit der BVG-Guthabenkarte oder 4-Fahrten-Karte) erfordere bei den Fahrgästen zwar ein gewisses Umdenken, seien aber durchaus geeignete Alternativen ohne zwingenden und ausschließlichen Einsatz elektronischer Medien.
- Insoweit sei auch ein anonymer Ticketerwerb grundsätzlich möglich.
- Mit der 4-Fahrten-Karte bestehe sogar ein sehr preisgünstiges Angebot.
- Angesichts dieser Sachlage könne der Petitionsausschuss die Argumentation der BVG gut nachvollziehen und sehe keinen Anlass zu Beanstandungen.
- Wenngleich der Petitionsausschuss meine angeführten Gründe im Kern verstehe, halte er sie jedoch nicht für geeignet, eine andere Entscheidung zu bewirken.
- Aus Sicht des Petitionsausschusses beachtlich sei lediglich mein Hinweis einer Benachteiligung von Menschen wohnhaft fernab von Verkaufsstellen. Deshalb habe sich der Petitionsausschuss nochmals an die BVG gewandt mit der Bitte auf möglichst flächendeckenden Betrieb von Verkaufsstellen und dort einem breit gefächerten Sortiment von Tickets, um alle Kundenwünsche zu befriedigen und sicherzustellen, dass jede Person trotz Wegfalls der Bargeldzahlung im Bus benötigte Tickets jederzeit leicht und unkompliziert mit der gewünschten Bezahlmethode erwerben könne.
- Auch könne man sich direkt an die BVG wenden, um konkrete Örtlichkeiten der Unterversorgung mit unzumutbarer Entfernung zu benennen, dass die BVG eine Einzelfallprüfung vornehmen könnten.
- Die BVG habe sich nicht explizit zu Fahrscheinautomaten in Bussen geäußert. Der Petitionsausschuss vermutet Probleme aus Platzgründen oder wegen technischer Gegebenheiten, habe die BVG aber gebeten, diese Anregung nochmals intern zu prüfen.
Meine Meinung
- Es ist beschämend für die BVG, nicht mir direkt, sondern erst dem Petitionsausschuss detailliert zu antworten.
- Manche Gründe der BVG sind vorgeschoben bzw. stellen deren Interessen vor denen der Fahrgäste.
- Die Realität von über 99% Vorauszahlern macht es der Bargeldminderheit schwer, aber die Busse in Potsdam zeigen die Realisierbarkeit von Fahrkartenautomaten mit Bargeldoption in Bussen.
- Die BVG-Guthabenkarte wird mehrfach erwähnt, aber ich habe es mir in einer BVG-Verkaufsstelle erklären lassen: Sie ist ebenso wie eine Bankkarte an ein Girokonto gekoppelt und ermöglicht daher die Überwachung.
- Auch die Argumente hinsichtlich Schwerbehinderten sind vorgeschoben. Einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen dauert in Berlin 5 - 6 Monate und nicht jeder berechtigt zu daran gekoppelten Ticketerleichterungen. Ein Schwerbehinderter soll also erst eine Verkaufsstelle aufsuchen, um im Voraus Tickets zu kaufen, wieder nach Hause und dann später die BVG nutzen. Nicht jeder Schwerbehinderte ist dazu in der Lage! Von Glatteis ganz zu schweigen.
- Die ach so gelobte 4-Fahrten-Karte ist nicht wie dargestellt günstig. Dass war sie vor einigen Jahren mal. Heute ist sie teuer sowohl absolut als auch relativ zu Monatskarten. Auch lösen 4-Fahrten-Karten nicht das Problem, ab und zu mal Einzeltickets für andere ABC-Tarifbereiche oder Kurzstrecken zu benötigen. Dafür wird man quasi genötigt, Bankkarten oder eine BVG-Guthabenkarte zu verwenden, weil der Aufwand vorherigen Einkaufs an einer Verkaufsstelle unverhältnismäßig hoch ist.
- Wie ist nun meine praktische Situation von Verkaufsstellen? Nicht ansatzweise so zu jeder Zeit verfügbar, wie vom Petitionsausschuss verbrämt, sondern typischerweise nur ca. 10 Stunden nur werktags. Für mich, der ich in gut bewohntem Gebiet aber nahe Stadtrand wohne, sind die nächsten Verkaufsstellen: 942m entfernt (Kiosk, Tickets kaufen, BVG-Guthabenkarte kaufen / aufladen; andere Einkaufsmöglichkeiten sind ähnlich weit entfernt, da alle lokalen Tante-Emma-Läden vor Jahrzehnten dicht machten); 1837m entfernt (Kiosk, Tickets kaufen, BVG-Guthabenkarte - nur - aufladen); 2183m entfernt (Kiosk, Tickets kaufen, BVG-Guthabenkarte kaufen / aufladen);...; ca. 5km entfernt (nächste BVG-Verkaufsstelle, U-Bahnhof denn die näheren S-Bahnhöfe haben keine BVG-Verkaufsstellen). Sollte mein nächster Kiosk die Einstellung des BVG-Ticket-Verkaufs beschließen, wäre mein nächster schon knapp 2km (und nach Fahrradfahrstrecke sind es eh 2km) entfernt. Mein nächster Kiosk hat nur ein sehr eingeschränktes Angebot von Postdienstleistungen, Briefmarken und Tickets. In meinem Umkreis von 2,5km haben alle Hermes-Paketshops diesen Dienst eingestellt, sodass hier eine baldige BVG-Wüste auch absehbar ist. Am nächsten S-Bahnhof mit ca. 1,5km Entfernung gibt es einen bargeldlosen Automaten für VBB-/BVG-Tickets, den ich selten nutze für den Vorauskauf von Tickets ins Umland, weil es die im Bus nicht gibt. An einem ca. 3,5km entfernten S-Bahnhof mit DB-Regio-Halt gibt es auch DB-Tickets am Automaten, welchen ich mal brauchte, als mir die DB nach 5 Stunden Telefonsupport wegen Bugs immer noch kein Ticket verkaufen konnte. Mein lokaler Bus fährt zum o.g. U-Bahnhof, wo die Automaten bargeldlos sind. Vom vielgepriesenen bargeldlosen Erwerb von 4-Fahrten-Karten ist also auch kaum noch etwas übrig.
- Die BVG haben das Thema Grundrechte mit einer Floskel abgetan. Der Petitionsausschuss hat sich nicht daran getraut. Wer seine Grundrechte gewahrt sein lassen will, muss letztlich bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen.
- Immerhin hat sich der Petitionsausschuss redlich bemüht, mein auf sorgfältig vorgetragenen Gründen beruhendes Anliegen ernsthaft zu behandeln und gegenüber der BVG zu vertreten. Wäre die Interessendiskrepanz (abseits meiner Grundrechte) größer gewesen, hätte der Petitionsausschuss vermutlich auch das Abgeordnetenhaus selbst bemüht. Als Bürger in einer Demokratie fühle ich mich ernst genommen, wenngleich ich mir mehr erhofft hätte. Dass der Petitionsausschuss meine Petition konkret auch im Detail verfolgt hat zeigt wohl auch, dass es zum Thema bargeldlos in Berliner Bussen nur wenige (jedenfalls gut begründete) Petitionen gibt. Gäbe es viele, hätten sie mutmaßlich vermittels des Petitionsausschusses mehr Erfolg. Angesichts der inhaltlichen Arbeit sind die zwei Monate Bearbeitungszeit durch den Petitionsausschuss verhältnismäßig.